Wir sind die radikale Mitte – im Gespräch mit Gary Wagner, Falgalas Duus und Chris L.

Falgalas Duus, Gary Wagner und Chris L. setzen mit "Darkness on Demand" ihren Weg fort.

Geredet haben wir schon, nun lernen wir uns richtig kennen. Die drei Künstler Gary Wagner, Falgalas Duus und Chris L. (u.a. Darkness on Demand, Winterhart, Agonoize, Funker Vogt) haben mich in ihr Reich eingeladen um zu reden und ihre neuesten Werke vorzustellen. Geredet haben wir viel, gelacht noch mehr und einen tollen Nachmittag miteinander verbracht.

Laut aber dreckig

Ein trister, regnerischer Nachmittag in der Mitte der deutschen Hauptstadt. Laut ist es hier, wenn man aus der U-Bahn mitten in den urbanen Rummel Berlins ausgespuckt wird. Menschen, Autos, Fahrräder – das tägliche Gewusel ist hier zu spüren. Der Dreck der Stadt klebt an allem, vor allem an den Häusern in dieser Gegend.

Unerwartet

Nach etwas Suchen und dem freundlichen Anruf Gary Wagners ist das Ziel dann erspäht. Es liegt im Hinterhof eines großen Gebäudes direkt an der Hauptstraße und der Unterschied ist sofort hörbar. Hinter der hohen Front beginnt das Labyrinth der Hinterhöfe, kleiner Oasen mit Grün und darin aufragend wie Massive diese Hinterhäuser.

In eines dieser Häuser wurde ich heute eingeladen. Ich darf einmal den Machern der schwarzen Szene über die Schultern schauen, lernen wie ihre Musik entsteht, die schon so viele Menschen auf den Dancefloors weit über die deutsche Republik hinaus bewegt hat.

Ankommen

„Komm hoch“ ruft Gary am Telefon und im dritten Stock erspähe ich dann das passende Türschild. Ganz privat inmitten vielleicht ganz unmusikalischer Menschen wohnt er hier, Falgalas Duus, Vollblutmusiker und Klangexperte bei Winterhart, Darkness on Demand und noch ein paar Nebenprojekten. Er ist der heutige Gastgeber und öffnet schon einmal Arme zur Begrüßung. Wir hatten uns schon auf einem Konzert der Band Winterhart kennen gelernt und miteinander gesprochen. Gary Wagner ist da und Chris L., den viele von Agonoize und vielleicht noch The Sexorcist kennen. Ein Platz auf der Couch wird mir angeboten, während Schwaden des wohl für Denkprozesse guten Nikotins den Raum der Altbauwohnung langsam zu füllen beginnen.

Erstmal ankommen und einen Schluck. Das erste Bier wird getrunken, ist ja auch schon nach 4 Uhr am Nachmittag. Wie ein alter Freund inmitten bekannter Künstler aufgenommen zu werden ist toll! Falgalas kann es kaum erwarten, die ersten Tracks zu präsentieren. Heute werde ich in Songs reinhören dürfen, die teils schon fertig produziert teils noch als Demo vorliegen.

Diese Menschen kennen sich schon seit einer Ewigkeit, teils seit den 80er Jahren und sind schon so lange befreundet. Hier machen sie gemeinsam Musik, dabei sind sie wohl schon so etwas wie eine Familie geworden.

Darkness on Demand

Nachdem der Klassiker „Dance or Die“ aktuell nicht mehr weitergeführt wird, starten die drei Künstler ihre persönliche Fortsetzung „Darkness on Demand“. Allen Fans kann schon heute sagen: es lohnt sich! Das konsequente Weiterdenken der Klangkonzepte elektronischer Tanzmusik im bekannten „DoD“-Stil klingt intensiv und wird extrem tanzbar.

Winterhart

Das dritte Album von Winterhart ist gerade seit März 2017 auf dem Markt, schon planen die ruhelosen Musikpioniere den nächsten Coup. Im August soll das neue Album bestehend aus Coversongs erscheinen. „Our Memories“ so der Titel des neuen Longplayers reicht dabei musikalisch bis zurück in die 70er und verdeutlicht die lange Musikbegeisterung.

Mit dem letzten Album „European Masterplan“ (wir berichteten) hatten Winterhart gerade erst ein Highlight der Genres „Neofolk“ und „Martial-Industrial“ veröffentlicht.

Funker Vogt

Nachdem die Electro-Szene mit dem nicht ganz freiwilligen Weggang des alten Sängers einen herben Verlust hinnehmen musste ist für 2017 ein Neustart vorgesehen. Dass sich dafür ausgerechnet der Agonoize-Sänger und auch ansonsten vielbeschäftigte Chris. L (The Sexorcist, Winterhart, Darkness on Demand) anbieten würde, war wohl ein Glücksfall für die Hamelner Band. Auf jeden Fall hat Chris L sowohl Fans als auch Hasser auf seiner Seite!

Die kommende Maxi „Der letzte Tanz“ wird zeigen wohin der Weg geht und das neue Album „Code of Conduct“ folgt Anfang Juni. „Wir werden auch das Shirt Wir verhandeln nicht mit Terroristen neu auflegen“ berichtet der gut gelaunte Chris L.

Radikale Mitte

… und wir sind weder links noch rechts – wir sind die radikale Mitte!„. Alles lacht, ja das stimmt. Unpolitisch wollen sie sein und ihre Musik machen. Trotzdem ihre Meinung sagen. Ihre Gedanken ausdrücken und mit der Musik transportieren, was man vielleicht nicht öffentlich sagen darf. Weil man dann eben ganz schnell verschrieen ist.

Oft ist der Klang da, eine Melodie. Erst dann der Text.“ berichtet mir der frühere Punkrocker Gary. Jeder bringt seine Ideen ein, so entstehen hier neue Klangwelten, teils atmosphärisch, teils Dance. Ich höre von kreativen Schüben, da kommen die Texte ziemlich flüssig. Natürlich ist das nicht immer so, aber gegenseitige Befruchtung hilft hier oft weiter.

Aus den Studio-Boxen in Falgalas Wohnung dröhnt der x-te neue Track. Als eher vorsichtiger Mensch frage ich mich, was die Nachbarn wohl so davon denken? Jeanette, Muse von Falgalas und viertes Mitglied von Winterhart betritt die Wohnung und der gute Dracula-Prosecco rinnt langsam die Kehlen herunter. „Es ist ein besonderer Tag“ meinte Falgalas beim Öffnen der Flasche. „Vielen Dank“ denke ich und proste mit der Dame und den Herren auf ihre neuen musikalischen Werke an.

Schon längst komme ich mir nicht mehr wie ein Außenstehender vor. Hier ist man Insider und geniest ein besonderes Vertrauen, so ist mein Gefühl. Gern möchte ich ihnen etwas zurückgeben, denen, die so viel geben.

Silberne Aktenkoffer

Ehrlichkeit steht ganz oben auf der Liste der Tugenden. Ehrlichkeit gegenüber eigenen Bandkollegen und auch Freunden. Natürlich auch im Geschäft, was das Musikbusiness nun einmal auch ist. „Leider“ möchte man fast schon sagen, wenn man merkt wieviel von ihnen in den Texten der Songs liegt. Egal ob man teilweise im Underground gehört wird.

Diese Ehrlichkeit wurde manchmal in der Vergangenheit vermisst, das hört man sofort heraus wenn Gary über die Herren mit den silbernen Aktenkoffern spricht. Vertrauen wird eben auch enttäuscht, man wird abgezockt und als Künstler allein gelassen. „Daher lieber möglichst viel selber machen“ ist das Fazit. Genau deswegen sitzen wir heute Abend auch hier und nicht in irgend einem tollen, teuren Studio.

Der Nachbar klingelt, er braucht wohl doch etwas Erholung. Das kann zwar keiner der Anwesenden ernsthaft verstehen, aber man gibt nach. Wie sagte der freundliche Hausmeister doch, als er mir am Nachmittag die Haustür aufschloss? „Viele Grüße an den Krachmacher?„.

Maid of Orleans

Neben einer Reihe von Gothic-Titeln von Szene-Künstlern wie Bauhaus und Joy Division wird es zum Beispiel auch OMDs „Maid of Orleans“ mit auf das angekündigte Winterhart-Album „Our Memories“ schaffen. Und bevor wir den Abend gemeinsam hier beschließen wollen, singt Gary die Vocals dafür ein. Begeistert lausche ich seiner Stimme und bin noch mehr davon überrascht als wir uns das Ergebnis dann am Rechner anhören.

Bei allen Titeln“ erfahre ich von Falgalas und Gary, „geht es nicht um eine 1 zu 1 Umsetzung. Die Klänge werden noch angereichert um ihnen den eigenen, besonderen Winterhart-Stil zu geben„. Freuen können wir uns also auf eine ganz eigene Umsetzung der bekannten Kompositionen. Das wird wohl wieder ein Highlight mehr in der CD-Regalreihe.

Warum die Drei hier gemeinsam sitzen wird immer dann deutlich, wenn etwas nicht ganz hundertprozentig gut klingt. Die Erfahrungen sind die beste Qualitätskontrolle, überall wird gefeilt und verbessert bis es endgültig passt. Und davon profitieren nicht nur die Hörer einer einzelnen Band.

Entflohen

Es ist längst 22.00 Uhr, die kalte Großstadt hat mich wieder. Mit vielen gesammelten Eindrücken werde ich zurückkehren an den Schreibtisch. Etwas Besonderes liegt an diesem Abend über der nassen, auch um diese Zeit noch belebten und nie schlafenden Stadt. Vielleicht sind es Garys Worte, mit denen er mir einen guten Heimweg wünschte. Gemeinsam entfliehen wir wieder dem Zentrum Berlins in unsere Vorstädte. „Back to Psychoburbia“ denke ich noch, als der Zug einfährt …

Gothic Empire dankt an dieser Stelle noch einmal für die außerordentlichen Einblicke in das Künstlerleben!

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