Im Gespräch mit Die Selektion

Ein leerer Club. Klirrende Beats aus dem Drumcomputer hallen durch den verwaisten Darkroom, satte Synthesizerflächen wabern durch den ausgestorbenen Raum. Plötzlich ertönt von irgendwoher eine traurige Trompete gespenstergleich über den Dancefloor: willkommen in der Welt von DIE SELEKTION.

Über die letzten dreizehn Jahre Bandgeschichte entwickelte sich das Projekt von Luca Gillian, Hannes Rief, Samuel Savenberg und Max Rieger zu einer stilbildenden Band, die die Gothkids und Technojünger*innen auf einen Dancefloor zu vereinen weiß. Mit ZEUGE AUS LICHT veröffentlicht das Quartett (das mittlerweile allerdings Liveauftritte als Duo absolviert) sein drittes Album – und lädt ein zum Rave auf den Ruinen unserer Gegenwart zwischen Apokalypse und Wahnsinn.

DIE SELEKTION weiß immer stilsicher den schmalen Grat zwischen Ernst und Selbstironie zu balancieren. Das zeigt sich etwa im Call-and-Response von DREI GESICHTER, das mit Lust an der Provokation breitbeinige Rock’n’Roll-Posen aus dem letzten Jahrhundert mit Mardi-Gras-esker Trompete kreuzt. Oder in der Euphorie von ASCHEREGEN und DER ROTE FADEN. Und vor allem natürlich in der kalten Präzision des Titeltracks ZEUGE AUS LICHT, das alle Fäden, aus denen das Prinzip DIE SELEKTION gesponnen ist, aufs Schönste vereint: Popharmonien, klinisch-klare Drumelemente, hoffnungsfrohe Synths, eine strahlende Trompete und Lyrics, die sich mit Gegenwartshorror wie Klimakollaps genauso auseinandersetzen könnten wie mit gescheiterten Beziehungen oder einem unfreiwilligen Fall in’s K-Hole.

ZEUGE AUS LICHT ist das Resultat eines Zu-sich-Findens der Band als hierarchiefreies Kollektiv. Von DER GRUNDSTEIN bis hin zu MEIN FUNDAMENT (UNS GEHÖRT DIE WELT), es ist die gemeinsame Vision von Gillian, Rief, Savenberg und Rieger, die dieses strahlend-düstere Klanggebäude erbaut hat, vor dem wir nur allzu gerne Schlange stehen. Eintritt kostet nur den Verstand.


(c) Marina Monaco
_______________________________________________________________________________________

Wir haben ein Interview mit der Band geführt, das wir Euch natürlich nicht länger vorenthalten wollen:

Euer neuer Song „Drei Gesichter“ hat einen einzigartigen Sound, der von Synth-Pop und Funk der 80er Jahre inspiriert ist. Wie kam es zu dieser musikalischen Entwicklung?

Uns war schon früh wichtig uns als Band stetig weiterzuentwickeln und neue Dinge zu probieren. Einer der ersten Songs nach Veröffentlichung des ersten Albums 2011 war beispielsweise auf Englisch (Dust). Auch sonst wollten wir damals immer musikalisch weiter. Wir finden eine klare Entwicklung ist vom ersten Album 2011 bis jetzt zu hören. Die technischen Möglichkeiten wurden mehr, es wurde generell einfacher Musik zu machen und der Zugriff auf verschiedene Inspirationsquellen, als auch unser persönlicher Musikgeschmack hat sich in den 13 Jahren fortan weiterentwickelt. Wir überlegen natürlich jetzt schon wie mir mit Album 4 dem jetzt erscheinenden Album ‚Zeuge aus Licht‘ einen drauf setzen können. Wie das dann klingt wird die Zeit zeigen. 

 

„Drei Gesichter“ ist die letzte Single vor der Veröffentlichung eures Albums „Zeuge aus Licht“. Welche Botschaft oder Stimmung möchtet ihr den Hörern mit diesem Song vermitteln?

Für uns ist das in erster Linie ein Party Song, auch wenn er textlich eher davon handelt verschiedene Facetten einer Person herauszufinden und über die Zeit zu entdecken, positive als auch negative. Auch wenn die Texte bei uns generell sehr wichtig sind und in Zusammenhang mit der Musik stehen, transportiert der Song für uns auch irgendwie von seinem Klangbild etwas hoffnungsvolles, das zum tanzen einlädt. 


Euer kommendes Album „Zeuge aus Licht“ klingt sehr vielversprechend. Könnt ihr uns einen Einblick in die musikalische und textliche Reise geben, die die Hörer erwarten können?

Das Album umfasst 9 Songs. Diese beinhalten viele klangliche und songstrukturellen Neuheiten, die man so von uns noch nicht hören konnte, sei es die Spielweise und Technik der Trompete oder die Anwendung von Text und Stimme. Bei der Produktion haben wir im Vergleich zu den beiden letzten Alben auch ein wenig mehr Wert aufs Detail gelegt. Textlich geht es wieder mal um ALLES und NICHTS, mehr wollen wir hier noch nicht verraten. 

 

Die Selektion hat in den letzten Jahren einen einzigartigen Stil entwickelt, der Elemente aus Goth und Synth-Wave vereint. Wie würdet ihr euren kreativen Prozess beschreiben und wie habt ihr diesen Stil entwickelt?

Unser Stil hat sich sehr natürlich entwickelt und durch unsere persönlichen musikalischen Interessen gefunden, dabei wurde keinem Rezept gefolgt.  Das wir eine Trompete dabei haben war damals 2010 eine ganz pragmatische Entscheidung, da dies eben das Instrument war das Hannes am besten beherrscht, mittlerweile produziert er auch.  Ein kreativer Prozess folgt bei uns keiner Regel: teilweise haben Hannes, Samuel oder Max Ideen zu instrumentalen Songskizzen, teilweise entsteht ein Text vollkommen getrennt zur Musik und wird danach zusammengeführt. Eine Sache ist aber immer gleich: das letzte Album entstand praktisch vollkommen in sehr intensiver Zusammenarbeit aus Max, Hannes, Samuel und Luca, dabei wurde viel probiert und diskutiert, bis jeder Song zu einem Ergebnis kam mit dem alle zufrieden sind. 

 

Ihr seid bekannt dafür, Ernst und Selbstironie geschickt zu kombinieren. Wie gelingt es euch, diese Balance in eurer Musik und euren Texten aufrechtzuerhalten?

Wenn wir euch das verraten, können das danach ja alle. 

 

In eurer Bandgeschichte habt ihr viele Veränderungen erlebt, von Liveauftritten als Quartett Trio* zu Auftritten als Duo. Wie beeinflussen diese Veränderungen eure Musik und eure Live-Auftritte?

Unsere Studio-Aufnahmen wurden nie direkt von der Live-Besetzung beeinflusst, da diese immer trotzdem zu dritt oder viert stattfand. Unsere Prosecco-intensiven Live-Auftritte haben uns mittlerweile schon durch die ganze Welt gebracht. Das Zusammenspiel aus Gesang und Trompete ist hierbei essentiell und das was eine mitreißende Die Selektion Show ausmacht, glücklicherweise waren und sind diese beiden Komponenten bei Live-Shows immer gegeben. 

 

*Verbesserung: Als Quartett standen wir nie auf der Bühne, dafür in 3 verschiedenen Trio-Formationen und als Duo. 


Eure kommende Albumveröffentlichung wird von einer Tournee begleitet. Welche Erwartungen habt ihr an eure Live-Auftritte und wie möchtet ihr euer Publikum auf dieser Tournee mit eurer Musik erreichen?

Wir wollen auch hier wieder unserem Ruf als Live-Band alle Ehre machen und bereiten aktuell ein neues Set vor das überwiegend aus neuen Songs besteht, dabei aber natürlich auch ein paar altbekannte Stücke beinhaltet. Unsere aktuell geplante ‚Zeuge aus Licht‘-Tour bringt uns wieder in mehreren Etappen durch ganz Europa, nächstes Jahr soll sie ebenfalls in Latein Amerika weitergehen. Für uns ist das Live spielen ein essentieller Teil unserer Karriere und mit das schönste. Wir können es kaum erwarten Euch alle dort wieder zu sehen. Bis dahin!

________________________________________________________________________________________

Die Selektion Live:
16.09.23 Hannover-Langenhagen – Pi32
21.09.23 Hamburg – Reeperbahn Festival
30.09.23 Berlin – Urban Spree ALBUM RELEASE PARTY
12.10.23 Hamburg – Hafenklang
13.10.23 Bochum – Die Trompete
19.10.23 Cologne – Artheater
21.10.23 Warsaw – Hydrozagadka
24.10.23 Vienna – Chelsea
25.10.23 Augsburg – Soho Stage
27.10.23 Lyon – Sonic
29.10.23 Rotterdam – Baroeg
11.11.23 Esslingen – KOMMA
18.11.23 Dresden – Alter Schlachthof

Beitragsbild (c) David Spaeth